die wächter der eulen
hitze, grosse hitze lag über den bäumen. Sie schien von den ästen herunter zu tropfen. wie klebrige, zuckrige masse zog sie fäden. "unglaublich, etwas, das ich nie verstehen werde," röchelte naxan zum anderen wächter. "hitze scheint etwas zu sein, das den eulen abgeht. egal ob januar oder juli, egal die temparatur. ihre rufe kommen immer in derselben kadenz, in derselben lautstärke, in derselben tonhöhe." zäh wurden die worte von der klebrigen masse geschluckt. teros erwiederte seines kollegen ausführungen weder mit worten, noch mit gesten. die vielen hundert jahre, welche sie nun schon wachten, machten gesprochene worte eigentlich überflüssig. sowie naxan gesprochen hatte wusste er, teros stimmte ihm zu.
ein kleiner windstoss verklebte sich in den ästen und auch diese kleine hoffnung auf linderung ward opfer dieser glukosen luft.
die beiden wächter sahen, wie die sonne den schatten des hohen stabes einen stein weiters geworfen hatte und erhoben sich unendlich langsam. sie spürten, wie ihre Zunge mit jedem atemstoss schwerer und zuckriger wurde. jedes bein wurde mit sorgfalt vor das andere gesetzt. ihr rundgang, dieser fast kreisrunde weg war schon lange ein teil ihrer selbst geworden. hin und wieder hoben sie den kopf, schauten auf zu den eulen in den ästen, die sie, wie schon hunderte jahre lang, mit verachtung straften. einen schritt vor den andern, langsam, gemächlich, wie in melasse schwebend kamen sie langsam an ihren ruheplatz zurück und wie immer lag dort ein wenig wasser und ein wenig futter bereit. es war jedesmal gleich wenig - zuviel zum sterben, zuwenig zum leben. genüsslich steckten sie ihre klebrigen zungen in das warme nass, zerkauten die wenigen brocken.
"einmal," setzte teros an, "da werde ich diese runde in die andere richtung machen. nur um zu schauen, ob die bewachten dies bemerken." naxan war erstaunt. das letzte mal, als teros gesprochen hatte, war eine eule tot vom ast gefallen und er hatte ein erstauntes "oh!" fahren lassen. dies musste aber schon lange, lange zurück liegen, da naxan damals noch über gutes augenlicht verfügte.
"ah" war alles, das naxan erwiedern konnte und die beweggründe für teros idee verschwanden für ihn in der galert-artigen luft.
die eulen riefen, die luft klebte, die wächter ruhten, gingen ihre runde, ruhten, gingen ihre runden.
der abend kam, brachte aber noch keine linderung, ausser dem gedämpfteren licht, welches den augen wohl tat. "tut das gut," sagte naxan, welcher schon immer der gesprächigere der beiden war und er war sich teros' zustimmung sicher, hatte doch auch der es schon mit den augen, wenn auch nicht so schlimm wie naxan.
so gingen sie noch die letzte paar runden vor dem einnachten zusammen, denn in der nacht wechselten sie sich ab, damit ein jeder zu ein wenig schlaf kam.
naxan macht die erste single runde. er liebte dieses alleinige herumstreifen, konnte er doch leise vor sich hin murmeln, etwas, das der wortkarge teros hasste. zurück am ruheplatz reckte er die zunge weit heraus, liess sie wohlig von der leicht kühleren luft liebkosen, trank sein wasser und legte sich nieder. teros würde zur richtigen zeit erwachen, denn in der nacht brauchten sie den hohen stab mit seinem schatten nicht, um rechtzeitig die runde anzutretten.
wache, nach wache gingen die beiden den weg, welcher nur vom mond und den augen der nicht beachtenden eulen erleuchtet war.
aus der nacht wurde tag, ein noch heisserer als zuvor, und aus dem tag wurde wieder nacht und wieder kam ein tag, welcher noch heisser war als der zuvor und ward wieder zur nacht. doch diese nacht war anders. sie war kühler, viel kühler als die andern nächte.
naxan war wieder der erste mit der single runde und war erstaunt, das teros bereits erwachte, als er zurück kam. wenn aber naxan erwachte um seine runde anzutretten, schlief teros selig.
"teros ist irgendwie komisch in letzter zeit. wir haben schon lange nicht mehr miteinander gesprochen. ich werde morgen wohl mal ein gespräch probieren," murmelte naxan, als er wiedermal auf wachtour war. er sagte aber nichts, als teros bereits wieder erwachte, als er zurück kam und und legte sich schlafen.
schrilles, hohes eulen-geschrei weckte naxan. es kam aus dem park. teros lag nicht auf seinem platz, musste also auf seiner runde sein. hastig sprang naxan auf und rannte den weg hinunter. gut in der hälfte hatte er teros eingeholt. dieser stand bockstill, bewegte sich nicht. wie naxan vor ihm war, bemerkte er, dass sie schnautze an schnautze standen.
"er ist den weg in die andere richtung gegangen," fuhr es ihm durch den kopf.
er schaute auf.
sämtliche eulen schienen sich auf vier, fünf bäumen verteilt zu haben, schrien hoch in nervösem rhytmus den mond an. keine einzige blickte herab.
naxan senkte seinen kopf.
teros stand wie eine marmorsäule, nicht einmal sein schwanz wedelte, das eulen-gezetter schien ihm zu gehören.
naxan trat langsam näher, er konnte teros' atem spüren.
als er ihm tief in die augen schaute, schien dieser wie aus einem traum zu erwachen. mit freudigen, versunkenen augen schaute er naxan an.
"siehst du, jetzt haben wir den beweis, dass sie uns doch beachten," wedelte kurz mit dem schwanz und zog von dannen.
naxan hatte ihn nie wieder gesehen.
und so geschah es, dass die eulen von athen nur noch einen wächter hatten.